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9. März 2022 / Einblick

Corona und Vertrauen in die Medien

Seit Anfang 2020 bestimmt die Corona-Pandemie die Berichterstattung. Wie hat sich dadurch das Vertrauen in die Medien verändert? Und was fördert das Vertrauen? Aktuelle Untersuchungen geben Einblicke.

Virusvariante, Inzidenz, Reproduktionszahl R: Unsere Sprache ist „geboostert“ mit medizinischen Fachbegriffen, die seit dem Pandemieausbruch unseren Alltag bestimmen. Dabei versorgen uns die Medien täglich mit Neuigkeiten zu Corona, und allem, was auf der Welt passiert. Das gelingt ihnen überzeugend – insgesamt sogar noch überzeugender als vor dem Ausbruch der Pandemie, wie aktuelle repräsentative Untersuchungen zeigen.

Vertrauen in die Berichterstattung nimmt zu

Laut der Mainzer Langzeitstudie „Medienvertrauen“ aus dem Jahr 2021 ist es den Medien in Deutschland nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie gelungen, Vertrauen in der Bevölkerung hinzuzugewinnen. Den „Lügenpresse“-Vorwurf teilten in der Studie zwei Drittel der Befragten nicht – der höchste Wert in der seit 2017 jährlich stattfindenden Untersuchung. Nur 16 Prozent sagten laut Befragung, man könne den Medien „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ vertrauen, 28 Prozent äußerten sich ambivalent („teils, teils“).

Ähnlich hohe Vertrauenswerte liefert die Befragung zum „Vertrauen in die Gesundheitskommunikation“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Das Ergebnis der im Frühjahr und Ende 2020 durchgeführten Untersuchung: Zwei Drittel der im Münsterland Befragten halten die klassischen Medien Zeitung, TV und Radio für vertrauenswürdige Quellen. „Laut unseren Daten ist das Vertrauen in die Medien während der Corona-Pandemie mindestens stabil geblieben“, erklärt Professor Dr. Bernd Blöbaum vom Institut für Kommunikationswissenschaft der WWU. „Corona hat sich nicht vertrauensmindernd ausgewirkt.“

Die zuletzt positive Entwicklung des Vertrauens in die klassischen Medien kommt nicht von ungefähr. Denn sie haben bewusst auf die Corona-Krise reagiert: „Wir beobachten heute mehr Wissenschaftsberichterstattung. Es werden oft Quellen aus der Wissenschaft zitiert oder kommen zu Wort. Wissenschaftler genießen hohes Vertrauen. Darauf haben viele Medien mit Erfolg gesetzt“, erklärt Blöbaum. Die Vertrauensmessungen der Uni Münster haben ergeben, dass diejenigen Medien hohe Vertrauenswerte genießen, die auf Wissenschaftsredaktionen setzen können. Das sind vor allem öffentlich-rechtliche Sender und viele überregionale Tageszeitungen.

Misstrauen mit wissenschaftlichem Sachverstand begegnen

Dennoch bleibt ein nicht unwesentlicher Anteil an Misstrauenden. „Es gibt eine Gruppe von zwölf bis 30 Prozent, die Medien gegenüber skeptisch sind“, konstatiert der Kommunikationswissenschaftler der Uni Münster. Diese Gruppe werfe den Medien vor, unausgewogen und parteinah zu berichten. Sie informiere sich vor allem über die sozialen Medien und andere weniger etablierte Internetplattformen. Vor allem Ungeimpfte nutzen diese Quellen, wie eine neue Befragung des Gemeinschaftsprojekts COSMO zeigt. Problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass sich in den sozialen Medien Falschmeldungen und Desinformationen rasch verbreiten und das Misstrauen dadurch befeuert wird.

Im Ergebnis sehen wir Menschen auf Querdenken-Demos, die sich teils haben aufbringen lassen durch Berichte, die weit weg sind vom wissenschaftlichen Konsens. Eine ihrer Erzählungen: Die Politik schüre bewusst Angst vor dem Coronavirus, um die Menschen in ihrer Freiheit einzuschränken. Corona sei nicht gefährlicher als eine Grippe, Impfen dagegen eine Gefahr für die Gesundheit. Im Netz finden sich dazu zahlreiche Desinformationen. Sie zielen häufig darauf, die Gesellschaft zu spalten oder eigene Interessen durchzusetzen. Das löst nicht nur Misstrauen aus, sondern sorgt auch für eine steigende gesellschaftliche Polarisierung und zunehmende Bedrohung von Journalisten und Politikern und damit der Demokratie.

Umso wichtiger ist, dass die etablierten Medien weiterhin seriösen Journalismus anbieten, aufklären und alle Bevölkerungsgruppen abholen. Damit Fakten für eine möglichst große Mehrheit Konsens bleiben. Beim Thema Corona bedeutet das: „Es ist wichtig, dass die Medien hochwertige Gesundheits- und Wissenschaftsberichterstattung anbieten und für die entsprechenden Redaktionen hohe Ressourcen zur Verfügung stellen“, meint Professor Dr. Blöbaum von der Uni Münster. Medien sollten sich für ihre Corona-Berichterstattung also am wissenschaftlichen Sachverstand orientieren.

Aber auch die Wissenschaft kann irren, Prognosen können danebenliegen. Das unterstreichen die Autorinnen und Autoren einer Studie der Rudolf Augstein Stiftung: „Es gilt deshalb, das Verständnis für das Funktionieren von Wissenschaft im Journalismus weiter zu fördern, Wissenschafts- und Datenjournalismus zu stärken und ein Bewusstsein für die Unsicherheit und Vorläufigkeit wissenschaftlicher Befunde zu schaffen“, heißt es in dem Papier. Es müsse eine journalistische Routine entwickelt werden, die darauf verzichtet, die Befunde einzelner Studien über den wissenschaftlichen Konsens zu stellen.

Vertrauen wiedergewinnen

Die Medien haben es somit ein Stück weit selbst in der Hand, auch verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, wenn man der Studie der Rudolf Augstein Stiftung folgt. Dafür brauche das Publikum eine Berichterstattung, die konstruktiv ist, auch Erfolge thematisiere und Lösungen aufzeige: „Diese mindert, nach allem, was wir bisher wissen, Angst und Resignation, verstärkt das Gefühl, dass sich Probleme lösen lassen, und erhöht die Handlungsbereitschaft der Rezipientinnen und Rezipienten.“

Allerdings dürften die Medien mit diesem Vorgehen heute längst nicht mehr alle Menschen erreichen. Viele der Misstrauenden werden sich wahrscheinlich weiterhin stark auf alternativen Medien berufen. Doch ab einem gewissen Punkt kann es nicht mehr Aufgabe der Presse sein, die Rezipienten auf den Pfad der Fakten zurückzuführen. Hier sind andere Akteure gefragt, um die Reichweite spalterischer Desinformationen oder Fake News zu bekämpfen.

 

 

Photo by Austin Distel on Unsplash

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